Die erste Besiedlung

Ein Kanu
Ein Kanu

Vor über 5000 Jahren brachen Menschen aus Südostasien nach Osten in den Pazifik auf und erreichten dabei vermutlich sogar die Küsten Südamerikas. Unter anderem besiedelten sie Fiji, Samoa und Tonga. Dort, in Westpolynesien, entwickelten sie die Ursprünge der heutigen polynesischen Kultur, bevor sie vor etwa 2000 Jahren dann die Inseln Ostpolynesiens besiedelten. Zu derartigen Reisen, bei denen Tausende von Kilometern in Ausleger- und Doppelrumpfkanus über offene See offenbar gezielt zurückgelegt wurden, waren Europäer noch nicht fähig; selbst im 17. Jahrhundert wurden bereits entdeckte Inseln mit schöner Regelmäßigkeit nicht wiedergefunden.

Legenden zufolge stieß der Entdecker Kupe um das Jahr 1000 bei einer Expedition von seiner mythischen Heimat Hawaiki aus auf das unbekannte Land, das unter einer langen weißen Wolke lag und von ihm entsprechend Aotearoa, »Land der langen weißen Wolke«, genannt wurde. Nach einer längeren Erkundung fuhr er zurück in seine Heimat. Um 1350 brach den Legenden zufolge die »große Flotte« von dort auf: sieben Boote, die den Stämmen ihre Identität gaben. Historiker sind heute der Auffassung, dass in diesen Legenden einiges an Wahrheit steckt. Kupe kam demnach wahrscheinlich erst später nach Neuseeland und war vermutlich zwar nicht der Entdecker Neuseelands, wohl aber einer der ersten, dessen Nachfahren im Land siedelten. Im späten 13. oder frühen 14. Jahrhundert wurde Neuseeland dann in größerem Stil besiedelt, allerdings nicht durch eine Flotte, sondern durch mehrere Gruppen von Kanus von verschiedenen polynesischen Inseln aus.

Versammlungshaus
Versammlungshaus

Die Siedler standen vor neuen Herausforderungen: Sie kamen in ein vergleichsweise riesiges Land mit gänzlich unbekannten klimatischen Bedingungen. Zunächst wurde das Land vermutlich im Northland, auf Coromandel, an der Cook Strait und an der südöstlichen Küste der Südinsel kolonialisiert. Die Neuankömmlinge ernährten sich überwiegend durch die Jagd auf Moas, Robben und andere Tiere, aber auch in dieser ersten Phase bereits durch den Anbau von Pflanzen. Dabei stellte sich vor allem das Problem, dass nur wenige der mitgebrachten Arten wie die Kumara (eine Süßkartoffel) in Neuseeland gediehen.

Bereits nach etwa 150 Jahren waren die großen Vögel wie auch die Robben im Norden weitestgehend ausgerottet. Andere flugunfähige oder auf den Hauptinseln brütende Vögel wurden durch mitgebrachte Kiore (polynesische Ratten) und Hunde bedroht. Dauerhaft verändert wurde die Landschaft durch großflächige Brände, die vermutlich von den Siedlern absichtlich gelegt wurden, um das Land zu roden oder Tieren die Zuflucht zu nehmen. Die Landwirtschaft gewann an Bedeutung und es wurden auch einheimische Pflanzen wie der Cabbage Tree kultiviert. Aus der ursprünglichen polynesischen entwickelte sich in dieser Phase eine eigenständige Maori-Kultur, unter anderem erkennbar an künstlerischen Ausdrucksformen wie den Hei Tiki.

Maori in festlicher Kleidung
Maori in festlicher Kleidung

Gegen Beginn des 16. Jahrhunderts begann die dritte Phase, in der sich einzelne Stämme mit festen Siedlungsgebieten bildeten. Diese Entwicklung war unter anderem durch die Landwirtschaft bedingt, aber auch durch die Konkurrenz um Siedlungsgebiete und Ressourcen und die daraus entstehenden Konflikte. Iwi (Stämme) führen ihre Herkunft auf das Waka (Kanu) zurück, in dem ihre Vorfahren ankamen. Innerhalb der Stämme wurde zwischen Rangatira (Menschen der Oberschicht) und Tutua (Menschen der Unterschicht) unterschieden; auch Sklaverei war verbreitet. Landbesitz im europäischen Sinn gab es nicht: Damit ein Iwi oder Hapu (ein Teilstamm) die Authorität für ein Gebiet beanspruchen konnte, musste er es über einen längeren Zeitraum besiedeln und aktiv nutzen oder von einem anderen Stamm erobern.

Zwei das Leben bestimmende wichtige Konzepte waren Mana und Utu. Mana ist die spirituelle Kraft einer Person, die zunächst ererbt wird, aber durch eigene Taten vermehrt oder auch vermindert werden kann; Rangatira besitzen viel Mana. Utu ist ein Prinzip der Gegenseitigkeit: Ein das Mana des Gebenden vermehrender Gefallen erfordert beizeiten eine entsprechende Gegenleistung, eine Beleidigung eine entsprechende Antwort. Einerseits sorgte dieses Prinzip für stabile Beziehungen zwischen den Stämmen, andererseits aber auch für kriegerische Auseinandersetzungen.

Die Nordinsel wurde zu dieser Zeit von den meisten Stämmen als Te Ika a Maui bezeichnet, von einigen auch als Aotea oder auch als Aotearoa – was auch als »Land des langen klaren Tages« oder »Lange weiße Welt« übersetzt werden kann. Die Südinsel trug bei verschiedenen Stämmen die Namen Te Waka a Aoraki (»Kanu von Aoraki«), Te Wahi Pounamu (»Ort der Jade«) und Te Wai Pounamu (»Wasser der Jade«). Einen Namen für das gesamte Land gab es nicht.